Brauchen wir eine weitere Rheinquerung zwischen Köln und Bonn?

Das folgende Schreiben sendete Reiner Knees aus Bornheim an diverse Politiker:innen und Bürgerinitiativen. Antworten auf dieses Schreiben, sofern uns bekannt, haben wir ebenfalls veröffentlicht.

Es ist wohl eine sehr umfassende Güterabwägung nötig bei der Entscheidung, ob eine weitere Rheinquerung zwischen Köln und Bonn notwendig und nachhaltig ist. Ich kann verstehen, dass die Menschen, in deren Wohnumfeld die Trasse zur und von der Brücke entstehen soll, darüber nicht glücklich sind. Nur sollte man sich bei der Entscheidungsfindung von der „not in my backyard“-Haltung lösen und auf rein sachlicher Ebene die Pros und Contras abwägen und vielleicht auch mal daran denken, wie sich die Menschen fühlen, durch deren Wohnumfeld die Rheinspangen-Gegner derzeit fahren.

Zur Zeit muss aller Verkehr, der aus den Regionen zwischen Köln und Bonn und links und rechts des Rheins auf die jeweils andere Rheinseite will, entweder mindestens bis zur Rodenkirchener Brücke in Köln oder bis zur Friedrich-Ebert-Brücke (Nordbrücke) in Bonn fahren. Dies bedeutet z. B. für Menschen, die im Vorgebirge wohnen und am Flughafen Köln-Bonn arbeiten, einen täglichen Umweg von 2 mal ca. 30 km. Eine weitere Rheinquerung zwischen Köln und Bonn müsste m. E. nicht zwangsläufig als Autobahn gebaut werden, sollte aber auf jeden Fall mit einer zweigleisigen, mindestens S-Bahn-tauglichen Gleistrasse und einem modernen 2-Richtungs-Fahrradschnellweg projektiert werden. So könnte sie beide oben genannten Brücken vom Verkehr entlasten – Fakt ist, dass die gleiche Anzahl Kraftfahrzeuge im Stau mehr Lärm und Abgase erzeugt als im Rollen. Auch würde sie in vielen Fällen Lebenszeit und Umwege sparen und eine natürliche Grenze beseitigen und zumindest bei erträglichem Wetter den Umstieg auf das Fahrrad ermöglichen/angenehmer gestalten.

Man kann sich natürlich fragen, ob bei einer angestrebten Verkehrswende neue Straßen, Brücken und Tunnel Sinn machen, oder ob nicht die These stimmt: neue Straßen erzeugen neue Verkehre? Folgen wir der Logik dieser These, müsste man ja eigentlich den Verkehr verringern können, indem man Straßen einzieht oder sperrt – ob das funktioniert? Derzeit gehen die Prognosen eher dahin, dass der Güterverkehr noch extrem zunimmt, was natürlich auch mit unserem Verbraucherverhalten zusammenhängt. Dank Amazon und Co. haben wir uns daran gewöhnt, unsere Bedürfnisse von einem auf den anderen Tag zu befriedigen. Was wir haben wollen, hat gefälligst spätestens am nächsten Tag da zu sein und Amazon schickt ja notfalls sogar einen LKW mit nur einem Päckchen los, um Jeff Bezos´ Versprechen einzulösen – wie ich kürzlich in einer Doku über Amazon gelernt habe. Daraus folgert m. E., dass unser Bedarf an Verkehrsflächen (incl. Brücken) auch von unserem Konsumverhalten abhängt! Obst und das meiste Gemüse wächst halt nicht im Winter bei uns in der Region, sondern muss, wie viele andere Dinge, die wir haben wollen, ohne sie wirklich zu brauchen, häufig weite LKW- und Flugreisen zurücklegen.

Auch müsste, um den gewerblichen Güterverkehr einzudämmen, die Verlagerung der Lagerhaltung auf die Straße und die „Just-in-time-Lieferung“ zurückgedrängt werden, bzw. der Gütertransport, wo irgend möglich und sinnvoll, auf die Schiene und das Schiff verlagert werden. Beim Individualverkehr muss ein konkurrenzfähiger ÖPNV, in der Fläche eine intelligente Vernetzung von PKW und ÖPNV und ein drastischer Ausbau des Radwegenetzes auf die Beine gestellt werden. Vieles könnte auch eine intelligente Share-Economy auffangen, angefangen beim Carsharing. Dies darf aber nicht dazu führen, dass Menschen vom ÖPNV auf das Carsharing umsteigen, muss also auch gut durchdacht werden.

Ich weiß selbst nicht, ob ich für eine Rheinspange bin, oder dagegen – für viele meiner Wege wäre sie von Vorteil. Dennoch wünsche ich mir eigentlich, dass sie überflüssig wird und keine weitere Natur dem Verkehr geopfert werden muss. Interessant wären möglicherweise zusätzliche schnelle Fährverbindungen im Bereich zwischen Köln und Bonn und auch eine schnelle Wasserbus-Verbindung zwischen Bonn und Düsseldorf und sinnvollen Zwischenstationen wäre sicherlich den ein oder anderen Gedanken wert. Ich denke, ob wir neue Straßen, Brücken und Tunnel brauchen, hängt ganz stark davon ab, wie wir Menschen uns in Zukunft verhalten – ob wir bereit sind, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue einzuschlagen und natürlich, ob die (Kommunal-)Politik es schafft, einen attraktiven, zum Individualverkehr konkurrenzfähigen ÖPNV und Bahnverbindungen und ein sicheres und schnelles Radwegenetz zu schaffen, sowie besonders in der Fläche und bei größeren Entfernungen eine intelligente und zumutbare Park&Ride-Infrastruktur.

Stellt sich nach Corona das gleiche Verkehrsaufkommen – Individual- und Güterverkehr – wieder ein, wie vor der Pandemie und wächst es dann weiter in dem Maße, wie in den vergangenen Jahrzehnten, werden wir um eine leistungsfähige Rheinquerung zwischen Köln und Bonn jedoch nicht vorbei kommen.

Reiner Knees, Bornheim